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„Dorfliebe für alle“: Eine Initiative kämpft für Zusammenhalt in Thüringen

Die Situation in Thüringen ist nach der Landtagswahl nicht einfacher geworden – politisch wie gesellschaftlich. Davon lässt sich die Initiative „Dorfliebe für alle“ nicht unterkriegen. Sie kämpft mit kreativen Mitteln für mehr Zusammenhalt.

von Jonas Jordan · 27. September 2024
Die Initiative „Dorfliebe für alle“ engagiert sich gegen Rechtsextremismus in Thüringen.

Die Initiative „Dorfliebe für alle“ engagiert sich gegen Rechtsextremismus in Thüringen.

Viel fehlte Anfang des Jahres nicht und der Saale-Orla-Kreis im Südosten Thüringens wäre erstmals von einem AfD-Landrat regiert worden. In der Stichwahl Ende Januar setzte sich Christian Herrgott von der CDU denkbar knapp mit 52,4 Prozent gegen den AfD-Bewerber durch. Dass das gelang, war auch ein Verdienst der Initiative „Dorfliebe für alle“, die sich wenige Monate vorher im September 2023 gegründet hatte.

Einschüchterungen und Bedrohungen

„Rückwirkend betrachtet hätte es ein sehr großes Vakuum gegeben, wenn wir nichts gemacht hätten“, sagt Michael Pape, einer der Gründungsmitglieder, im Gespräch mit dem „vorwärts“. Der erste Schritt war ein Offener Brief, den mehr als 1.600 Menschen unterzeichneten. Mit diesem riefen die Initiator*innen nicht etwa den Kommunismus aus, sondern formulierten eigentlich eher Selbstverständlichkeiten wie „Der Saale-Orla-Kreis soll ein Ort des Respekts, der Vielfalt und Toleranz sein, ein Ort, der für alle Generationen, Familien, Arbeiter, Unternehmer und Fachkräfte Heimat und Zukunft bietet“. Zugleich warnten sie vor den Gefahren durch die AfD.

Doch schon das führte dazu, dass manche Menschen Skrupel hatten, den Brief zu unterzeichnen, und andere, die ihn unterzeichnet und sich öffentlich dazu bekannt hatten, eingeschüchtert und bedroht wurden, mit dem Ziel, dass sie ihre Unterschrift wieder zurückziehen. Anfang Januar veranstaltete die Initiative in der Kreisstadt Schleiz eine Kundgebung und ein Straßenfest mit dem Titel „Kein Landratsamt der AfD“. 

Im Bündnis mit anderen organisiert

Auch da hätten sich Rechte mit Trommeln zur Gegendemo versammelt, berichtet Pape. Manche laut grölend, andere hätten einfach nur vor der Bühne gestanden und beobachtet. Auch das als klare Drohung gemeint. „Eigentlich ist unsere Message nichts Verwerfliches. Wir wollen nur Menschenrechte und dass mit Respekt miteinander umgegangen wird.“

Damit geht es der Initiative ähnlich wie mehr als 8.000 Verbänden, Vereinen, Unternehmen und Privatpersonen, die sich zu Jahresbeginn im Bündnis „Weltoffenes Thüringen“ zusammengeschlossen haben. „Das hilft ungemein“, meint Pape. Innerhalb des Bündnisses pflegt „Dorfliebe für alle“ den Austausch mit ähnlichen Initiativen wie in Nordhausen, wo es gelang, einen AfD-Oberbürgermeister zu verhindern, und Sonneberg, wo der deutschlandweit erste AfD-Landrat seit etwas mehr als einem Jahr im Amt ist.

„Dorf ist schön, Liebe ist schön“

Bei „Dorfliebe für alle“ engagieren sich aktuell gut 20 Personen. „Wir sind eine Gruppe von sehr unterschiedlichen Leuten“, sagt Pape. Entsprechend sei über den Namen zunächst sehr kontrovers diskutiert worden. „Ich fand den Namen aber von Anfang an gut, weil er zwar einerseits etwas stichelt, aber andererseits auch nicht angreifbar ist. Dorf ist schön, Liebe ist schön, dann ist die Kombination definitiv nichts Schlechtes“, sagt Pape, der beruflich als Konstrukteur im Spezialfahrzeugbau tätig ist.

Die Initiative lässt sich auch nach dem Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen nicht unterkriegen. Am 1. September wurde mit der AfD erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft in einem deutschen Landesparlament. Dort verfügt sie seitdem außerdem über eine sogenannte Sperrminorität, kann also Entscheidungen blockieren, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen, wie die Ernennung von Richter*innen.

Hauptsache: in Kontakt treten

Nur wenige Wochen nach der Wahl bietet „Dorfliebe für alle“ die nächste Veranstaltung an, eine gemeinsame Wanderung für Frauen und Kinder. Es gehe dabei darum, ins Gespräch zu kommen, auch mit Menschen, die unterschiedliche Meinungen vertreten. Darüber hinaus sind Vortrags- und Filmabende sowie Diskussionsveranstaltungen geplant. „Hauptsache einfach in Kontakt treten. Das ist das Wichtigste“, fasst Michael Pape die Arbeit der Initiative zusammen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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